Wie „entsteht“ eine Führungskraft? In aller Regel, indem eine höhere Stelle, die in der jeweiligen Organisation dazu befugt ist, diesen Menschen zum Team-, Gruppen-, Abteilungs- oder Sonstwas-Leiter ernennt und ihr in diesem Zuge die damit verbundenen Vollmachten verleiht. Diese drücken sich in „Macht“ über Ressourcen aus, konkret zum Beispiel über Geldmittel (Budgetrahmen), Menschen (Weisung, Entlohnung, Einstellung / Entlassung etc.) und über Arbeitsprozesse.
Wer wird Führungskraft? Ursprünglich war es oft so, dass der Mensch, männlich oder weiblich, der die meiste Erfahrung hatte, der sich in den Anforderungen und Verrichtungen der Stelle am besten auskannte, der vielseitig war, der anderen Kollegen zeigen konnte „wie wir das hier machen“, zum Leiter befördert wurde. Dies war oft dann, wenn die Organisation gewachsen war, sich weiter ausdifferenziert hatte, und daher eine neue, von anderen abgegrenzte Organisationseinheit entstand. So wurde oft die beste Fachfrau oder der beste Fachmann zum Leiter der jeweiligen Einheit. Gerade im Mittelstand oder in öffentlichen, kirchlichen oder Non-Profit-Organisationen, in denen die oberste Leitungsebene mehr in als an der Organisation arbeitet, war und ist dies auch heute noch üblich.
Damit wird jedoch negiert, dass Menschenführung eine völlig andere Anforderung ist und daher völlig andere Qualifikationen erfordert, als die bisherigen Aufgaben des Kandidaten.
Dringend möchte ich empfehlen, was, zum Glück, für immer mehr Organisationen selbstverständlich ist: Man kann einem Menschen für eine Leitungsaufgabe vieles beibringen, aber einige Charakteristika sollte er aufweisen. Und diese sollten, wohlwollend, aber durchaus streng, als „Filter“ auf einen Kandidaten für eine Führungsrolle angewandt werden. Die aus meiner Sicht bedeutsamsten, neben fachlicher Eignung, Anstand und gutem, gesunden Menschenverstand, sind (und hier bitte ich um Feedback und Kommentare der Leser):
- Menschen mögen: Wer Menschen nicht mag, sich nicht für die Menschen um sich herum interessiert, taugt nicht zur Führungskraft. Zur neuen Rolle gehört, sich intensiv mit seinen Mitarbeitern zu beschäftigen. Dies kostet Zeit, Mühe und nicht selten Nerven. Für wen das Störung oder Ablenkung von seiner „eigentlichen“ Arbeit ist, der sollte Sachbearbeiter bleiben.
- Verantwortung übernehmen: Führung heißt voran gehen, freiwillig Verantwortung übernehmen für anstehende Aufgaben und bedeutsame Projekte. Es bedeutet, mit seinen Leuten einen Beitrag leisten zu wollen und dabei auch ins Risiko zu gehen. Dies heißt auch, bei Fehlschlägen die Verantwortung zu übernehmen und sie nicht auf Umstände oder die eigenen, „unfähigen“ Mitarbeiter abzuwälzen. Und ebenfalls bedeutet Verantwortung, die notwendigen, aber unangenehmen Dinge zu tun, für die es keinen Applaus gibt – zum Beispiel schwierige Gespräche mit oder sogar die (saubere!) rechtzeitige Trennung von einem Mitarbeiter.
- Entwicklung suchen: Wer führt, sollte Freude an Entwicklung haben, das Geschäft betreffend, Menschen / Mitarbeiter betreffend, und auch sich selbst betreffend. Dies beinhaltet auch, ein Auge für Talente zu haben, ein Gespür dafür, ein funktionierendes Team zu entwickeln, in dem jeder Mitarbeiter die für sie / ihn passende Aufgabe und Rolle bekommt. Und sogar, Mitarbeiter an sich selbst vorbei zu entwickeln, stolz auf diejenigen zu sein, die später in der Hierarchie über einem stehen.
- Sich richtig einordnen: Heißt: Demut, Bescheidenheit, Offenheit. Die Führungskraft, deren Prioritäten bei Mehrvergütung und Privilegien liegen, die viele Gedanken für den neuen Firmenwagen und das Eckbüro investiert, ist noch nicht angekommen in ihrer Rolle.
Der Anführer dient dem Team, er soll dessen Entfaltung ermöglichen und unterstützen. Ein Jürgen Klopp stellt sich nicht vor die Presse und sagt: „Wir haben die Champions League gewonnen, was bin ich doch für ein großartiger Trainer.“ Er sagt, sinngemäß: „Ich bin wahnsinnig stolz auf meine Jungs. Unglaublich, was die geleistet haben…“
Demut heißt auch zu wissen, dass meine Mitarbeiter oft mehr wissen als ich. Dass es daher gilt, sehr gut zuzuhören, offen zu sein, um- und neu denken zu können, Ideen zu moderieren und orchestrieren. Auch, einen Raum zu schaffen, in dem sich jeder sicher fühlt, seine Meinung zu äußern.
Das Schöne an diesen 4 Filtern: Alle diese Grundeigenschaften lassen sich recht gut beobachten, bevor jemand in eine Führungsrolle gehoben wird. Man muss sich nur die Mühe machen. Und es schadet auch nicht, ein solches oder ähnliches, an die jeweilige Organisation angepasstes, Anforderungsprofil im Hause bekannt zu machen und zur Diskussion zu stellen. Denn idealerweise sollte allen im Hause klar sein, was von einem Anführer erwartet wird und woran er sich messen lassen muss.