Einer Gruppe blinder Männer wurde ein zahmer Elefant vorgestellt. Da sie noch nie einem Elefanten begegnet waren, fanden sie dies sehr spannend und wollten ihn untersuchen, um sich ein Bild zu machen.
Der erste Mann breitete seine Hände aus, tastete die Seite des Elefanten ab und sagte: „Ein Elefant ist wie eine raue Wand.“
Der zweite Mann erfühlte den Rüssel und sagte: „Nein, überhaupt nicht, ein Elefant ist eher wie eine dicke Schlange.“
Der dritte Mann, der sich die Ohren des Elefanten vorgenommen hatte, rief: Wie könnt ihr so etwas sagen, ein Elefant ist doch wie ein großer, biegsamer Fächer!“
„Ihr müsst verrückt sein“, fiel ihm der vierte erregt ins Wort, der ein Bein des Elefanten ertastete, „ein Elefant ist doch wohl ganz klar wie ein Baumstamm!“
Diese Fabel kursiert schon lange, immer in etwas unterschiedlichen Versionen.
Die Moral der Geschichte ist jedoch klar: Keiner der Männer wird jemals erfahren, wie ein Elefant tatsächlich aussieht, solange er das, was er erkundet und wahrnimmt, für die ganze Wahrheit hält.
Um den Elefanten zu verstehen, ist es für die Männer nötig, auch andere Wahrheiten zuzulassen als die eigene. Nicht als „entweder, oder“, sondern im Sinne von „sowohl, als auch….“. Der Elefant hat eben Elemente einer Wand und einer Schlange und eines Fächers und eines Baums. Und sicherlich auch noch weitere.
Was hier auch deutlich wird: Je mehr ich die anderen Sichtweisen ausschließe und auf meiner eigenen beharre, gar ärgerlich werde und den anderen Unfähigkeit oder bösen Willen unterstelle, desto schwieriger wird der Weg zur Erkenntnis.
„Die Wahrheit beginnt zu zweit“, heißt es. Manchmal braucht es auch mehr als zwei, um ein brauchbares, annähernd zutreffendes Bild der Realität zu bekommen.
Auf jeden Fall braucht es die Vernunft und die Bescheidenheit, zu erkennen, dass ich immer nur einen – oft kleinen – Teil der Wirklichkeit kenne und verstehe. Und dass vielleicht sogar das Besondere und Aufregende am Elefanten diejenigen Teile sind, die ich selbst nicht kennengelernt habe.
Hand aufs Herz:
- Wann haben Sie zuletzt das vollständige Bild gesehen und „verstanden“, weil mehrere Menschen dazu beigetragen haben?
- Was tun Sie, um nicht Rüssel, Seite, Ohr oder Bein als „der Elefant“ auszurufen?