Immer wieder mal treffe ich in Unternehmen Mitarbeiter an, die bei jeder anstehenden klaren Aussage, Festlegung oder Entscheidung, und sei sie noch so klein, eine Prise Panik in den Blick bekommen. Hektisch überlegen sie, wer noch alles involviert werden könnte und ob nicht eigentlich der Vorgesetzte gefragt werden müsste.
Ich habe diese Leute zuerst einfach für unengagierte Unternehmens-Bewohner gehalten, die nur ihre Ruhe haben, Arbeit gern abschieben und sich nicht einbringen wollen. Mit der Zeit habe ich jedoch festgestellt, dass hinter diesen Menschen fast immer ein Vorgesetzter steht, der entweder ein Despot oder ein Mikro-Manager ist – oder im schlimmsten Fall beides.
Ein Chef, dessen Kalender immer voll und dessen Zeitfenster zum Teil doppelt oder dreifach belegt sind, weil er ja überall gefragt und gefordert ist. Und weil er alle Entscheidungen und Festlegungen auf sich gebündelt hat.
Durch „zu viel Arbeit“ blockierte Chefs mit frustrierten Mitarbeitern, die nur Zuarbeiter sind und bleiben, die kaum anspruchsvolle Aufgaben mit Freiheiten delegiert bekommen und die sich nicht (mehr) festlegen mögen, sind eine höchst ineffektive Kombination.
Wenige Entscheidungen beispielsweise innerhalb einer Abteilung sind so zentral, so kritisch oder so unkorrigierbar, dass nur der Abteilungsleiter sie treffen sollte oder könnte.
Hat dieser jedoch erst mal seinen Mitarbeitern aberzogen, dass sie Aussagen oder Entscheidungen treffen, sind diese von ihm mehrmals zurückgepfiffen, vor anderen korrigiert oder im Nachhinein gerüffelt worden, resignieren viele verständlicherweise und lassen das Thema lieber gleich beim Chef.
Dieser stöhnt dann über seinen übervollen Terminkalender und mangelnde Unterstützung. Er verlegt, symptomatisch, häufig und kurzfristig interne Termine mit seinen Leuten und ist für echte Coaching- und Entwicklungsarbeit an seinen Mitarbeitern nicht verfügbar – da schließt sich dann der Teufelskreis.
Manchmal hilft eine gemeinsame Ansprache des Chefs durch mehrere Mitarbeiter. Einen Vorgesetzten umzustimmen und zu einem neuen Verhalten zu bewegen, der das Gefühl der Unersetzbarkeit für sein Ego braucht, oder der aus Misstrauen und/oder Risikoscheu „immer alles unter Kontrolle“ haben will, ist allerdings ein schwieriges Vorhaben.
Und es kann ein sehr lohnendes Thema für ein Coaching sein.
Fragen Sie sich selbst und fragen Sie auch Ihre Mitarbeiter: Haben Sie genug Handlungs- und Entscheidungsfreiheit? Wie gehe ich mit Entscheidungen meiner Mitarbeiter um, wenn ich selbst anders entschieden hätte? Arbeite ich mit meinen Leuten an ihrem Wachstum, so dass sie immer mehr selbstständig tun und entscheiden können?
– Nur wer etwas loslassen kann, kann auch Neues, Größeres anpacken.
Ja und 100 % richtig Stefan, es ist manchmal schwierig die richtige Linie zu ziehen und auch von Mitarbeiter zu Mitarbeiter unterschiedlich. Auf keinen Fall darf der Chef zum besten „Sachbearbeiter“ montieren und sozusagen alles besser wissen. Mehr Demotivation geht nicht. Er soll sich um die grundsätzliche und strategische Linie kümmern und darauf achten, dass diese konsistent ist und eingehalten wird. Alignment also.