Verbindung, Verbindung, Verbindung!

Dezember 27, 2022 SGuenther No comments exist

„Am Ende sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben“, so stellte schon der 1835 verstorbene Wilhelm von Humboldt fest. 

Lassen Sie das ausklingende Jahr einmal Revue passieren. Ganz sicher waren die schönsten Momente vor allem jene, die Sie in Verbindung mit anderen genossen – die besondere Feier, das intensive Zusammensein, der gemeinsame Erfolg, die vertraute Runde…

Verbindung ist ein essenzielles Grundbedürfnis aller Menschen. Allein kann kein Menschenkind überleben, ohne andere können wir im Leben kaum etwas erreichen. Wir brauchen einander – ebenso, wie wir auch ein individuell ausreichendes Maß an Distanz und Autonomie benötigen. 

Je unsicherer, je weniger selbstwirksam, je ratloser und verletzlicher wir uns fühlen, desto größer ist unser Drang nach Verbindung mit anderen. 

Das heißt, gerade in Zeiten (und Jahren) großer Unsicherheit, eruptiver Veränderungen, hoher Belastungen und geringer Prognosemöglichkeit suchen wir die Gemeinschaft. 

Dabei ist es nicht nur schön, sondern auch sinnvoll, wenn menschliche Gemeinschaft nicht nur im Privaten, sondern auch im Arbeitskontext vorliegt und dort bereichert und erfüllt. Die regelmäßigen Gallup-Befragungen beinhalten das Kriterium auf der Arbeit einen „sehr guten Freund“ zu haben, als eines von 13 „Items“ für Produktivität, Rentabilität, geringe Fluktuation und Kundenzufriedenheit. Es ist Teil der Kernfrage „Gehöre ich hierher?“, die sich wohl alle Arbeitnehmer ex- oder implizit stellen dürften. 

Unternehmen sind keine „Familie“, sie dienen einem Zweck am Markt, müssen einen bewertbaren ökonomischen Nutzen erbringen und gehorchen deshalb Effizienzkriterien. Dafür gilt hier die sog. „Partialinklusion“ – der Mensch wird zum Arbeitnehmer, behält aber einen umfangreichen Privatbereich für sich. Viele Dinge gehen den Arbeitgeber schlicht nichts an, z. B. die private Lebensführung, die Religion, Partnerschaft, Freizeitaktivitäten und andere Themen, die in Familien gern diskutiert werden. Ebenfalls kann die Zugehörigkeit per Kündigung final beendet werden, was in Familien auch nicht so einfach ist. 

Menschen, die den mutigen Schritt in echte Verbindung gehen und sich dabei zwangläufig auch verwundbar machen, können einander viel geben und sich auf großartige Weise unterstützen. In meiner Arbeit mit Führungskräften nutze ich daher nach Möglichkeit die „Peergroup-Arbeit“, bei der die Kollegen sich gegenseitig helfen und herausfordern, erinnern, beraten und „coachen“. 

Voraussetzung dafür ist – neben dem Willen zur eigenen Entwicklung – die Bereitschaft sich zu öffnen und zu vertrauen, aber auch zwingend Vertraulichkeit zu bewahren. Empathie, ein offenes Ohr, eine Aufmunterung zur rechten Zeit oder ein guter Impuls können von einem Coach oder Mentor kommen, aber genauso auch vom vertrauten Kollegen. 

Vielleicht auch vom „Vorgesetzten“? Wenn dieser seinen Mitarbeitern nicht nur „vorgesetzt“ wurde, sondern er seine Aufgabe in der Zuwendung zu und Weiterentwicklung von Menschen sieht, ist dies absolut erstrebenswert. Der „Connected Leader“, die Führungskraft, die „in Verbindung führt“, tut dies mit Augenhöhe und in Einklang mit der menschlichen Wesensart. 

  • Menschen wollen gesehen werden – wollen wahrgenommen werden und „dazugehören“. 
  • Menschen wollen gehört und verstanden werden – mit dem, was ihnen wichtig ist. 
  • Menschen wollen geschätzt und anerkannt werden – dafür, was sie tun und wie sie sind. 

Mit dem Eingehen auf diese tiefen, grundlegenden Bedürfnisse, wird Lebendigkeit und der Wille etwas beizutragen ausgelöst – freiwillig und in Eigenverantwortung.  

Das Gegenmodell eines hierarchischen, „von oben herab“ führenden Vorgesetzten ist bestenfalls ein Modell wohlmeinender Dominanz. Es entwickelt sich im Negativfall zu einer Disziplinierung über Anreize und Bestrafung. Angst vor Fehlern und Angst vor Beschämung sind negative Antreiber und gleichzeitig Verhinderer und gehen häufig einher mit einer „entmenschlichten“ Bürokratisierung, gegen die es anzukämpfen gilt, um Leistung erbringen zu können. Manipulation und Vortäuschung (Dinge werden von oben gepredigt, aber nicht selbst gelebt) gehören gern dazu. 

Menschen- und Leistungsorientierung sind keine Gegensätze, sondern bedingen sich stark gegenseitig. Menschen brauchen, suchen und wollen Verbindung und vertrauensvolle Beziehungen. 

Wollen Sie dies fördern, stellen Sie sich als Führungskraft regelmäßig diese Fragen:

  1. Was tue ich konkret, um Gemeinschaft herzustellen – über Werte, Ziele und eine Mission, die wir teilen und in Wertschätzung unserer Unterschiedlichkeit?
  2. Was tue ich konkret, um individuelle, engagierte Beiträge zu ermöglichen und danach für alle sichtbar anzuerkennen? 
  3. Was tue ich konkret, um statt Gehorsam freiwillige Initiative und Selbstverpflichtung zu fördern, damit durch Vertrauen „Ownership“ / gefühlte Eigenverantwortung entsteht?

Wenn Sie ganz mutig sind, machen Sie diese Fragen sogar zu gemeinsamen Themen mit Ihren Mitarbeitern.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung im neuen Jahr. Möglicherweise wird dies der wertvollste Schritt sein, den Sie im neuen Jahr tun können. 

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