Mitarbeiter (richtig!) stark machen

Juni 25, 2022 SGuenther No comments exist

Das Starkmachen oder, auf Neudeutsch, das „Empowerment“ von Mitarbeitern, ist nicht nur viel beschrieben und diskutiert worden, es findet im Grundsatz auch weitestgehende Zustimmung bei Führungskräften. 

Daher ist es für mich immer wieder erstaunlich, wie wenig Führende ganz konkret für dieses Empowerment tun. Ja, wie wenig sie sich im Alltag dieses Themas bewusst sind. 

Zunächst braucht es für die Stärkung von Mitarbeitern drei grundlegende Elemente, die sich mit „KDW“ abkürzen lassen – Können, Dürfen und Wollen: 

1.     Kann der Mitarbeiter? Hat er alle nötigen fachlichen und sozialen Kompetenzen für seine Aufgaben? Stimmen Ressourcenausstattung und Zugriffsmöglichkeiten?

2.     Darf der Mitarbeiter? Werden Gelegenheiten geschaffen, z. B. durch Projektrollen oder Job Enrichment? Hat er die volle Unterstützung und Rückendeckung der Führungskraft? Kann er sich dessen sicher sein auch im Falle von Misserfolg und Fehltritten? Sind Auftrag, Erwartungen und Ziel klar definiert und abgegrenzt?

3.     Will der Mitarbeiter? Ist er oder sie intrinsisch motiviert, passen Aufgabe und Stärken zusammen? Zeigt er Begeisterung und Entschlossenheit für die Aufgabe(n)? Hat die Zuordnung von Mensch und Aufgabe eine nachvollziehbare Logik?

Sind diese drei grundlegenden Faktoren gegeben, könnte man sagen „Der Rest ist Handwerk.“ Aber genau dieses Handwerk wird von Führenden häufig nachlässig und mit wenig Bewusstsein ausgeübt. Daher möchte ich auf zwei Felder etwas expliziter eingehen: 

1. Die Delegation von Aufgaben ist mehr als unbeliebte Routinetätigkeiten auf Untergebene abzudrücken. Es sollte um die Förderung der Problemlösungskompetenz und die Erweiterung des „Werkzeugkastens“ des Mitarbeiters gehen. Dafür braucht es sinnvolle, anspruchsvolle und zugleich leistbare Aufgaben. 

Es braucht ferner ein Bewusstsein, welche Dinge wie weit abgegeben werden sollen. Die Balance von „Loslassen / vertrauen“ und „Dranbleiben / unterstützen“ sollte passen, je nach Situation, Aufgabenstellung und Reifegrad des Mitarbeiters. Hinzu kommt, dass der Übernahme von Verantwortung die Zusicherung von Sicherheit vorausgehen sollte. Heißt: Wer nicht die Sicherheit hat, um Hilfe bitten, Fehler zugeben oder auch mal ratlos sein zu dürfen (die sog. „Psychologische Sicherheit“), sollte keine Verantwortung für Ergebnisse übernehmen müssen. 

Gern vernachlässigt wird die Qualität von Vereinbarungen. Geber und Empfänger haben nicht selten ein ungleiches Verständnis von Sachverhalt, Erwartungen, Rolle, Hürden und am Ende tatsächlich getroffener Vereinbarung. Umso wichtiger ist es, das Was / Wer / Wie / (Bis) wann… genau miteinander zu definieren. Schriftlichkeit hilft hier ebenso wie Wiederholung durch den Mitarbeiter in seinen eigenen Worten. 

Die Belastbarkeit der getroffenen Vereinbarung gilt es seitens der Führungskraft auf Plausibilität zu prüfen: Sagt der Aufgabenempfänger nur etwas zu, weil er denkt, ein „Nein“ sei keine Option? Oder sagt hier leichtfertig jemand etwas zu, vielleicht sogar aus Begeisterung, der sich über die Konsequenzen (noch) gar nicht im Klaren ist? Eine belastbare Vereinbarung braucht ein „informiertes“ Ja, nur dann ist sie etwas wert. Dies lässt sich meist mit wenigen Nachfragen in Erfahrung bringen. 

2. Das Coaching von Mitarbeitern ist ein Feld, auf dem viele Führende noch ungeübt sind und sich auch unwohl fühlen. Ja, der Chef ist kein Coach im engeren Sinne. Ein Coach handelt ausschließlich im Interesse des Coachees, der Vorgesetzte hingegen hat naturgemäß auch eine eigene Agenda und vertritt legitim die Interessen des Unternehmens. 
Und dennoch lassen sich Coaching-Werkzeuge sinnvoll und professionell auch von Führenden gegenüber ihren Mitarbeitern sehr erfolgreich einsetzen. 

Dabei geht es insbesondere um das „Managerial Coaching“, das auf Perspektivwechsel, Reflexion sowie Umdenken und Neudenken abzielt. Offene (Klärungs-)Fragen, Hilfe bei der Definition von Zielen und zugehöriger Erfolgsmetrik, Hervorbringen zahlreicher Ideen und Handlungsoptionen sowie die Schaffung von Zuversicht und Entschlossenheit sind hier wesentliche Elemente.  

Grundvoraussetzung ist eine Haltung des Vertrauens in den Mitarbeiter, dass dieser selbst Meister seines Lebens und seiner Arbeit ist und selbstwirksam seine Aufgaben bewältigen kann. Eine konstruktive Neugier ist das nächste Element. Hierzu gehört zwingend, das eigene „Ratschlag-Monster“ im Hinterkopf ruhig zu halten, das ach‘ so gern mit wohlgemeinten Ratschlägen aushelfen und dabei seine eigene Kompetenz in Szene setzen möchte (siehe dazu die Literatur von Michael Bungay-Stanier). 
Ein Coaching sollte nicht aufgedrängt werden. Vielmehr hilft eine Einladung in der Form „Wollen wir das mal gemeinsam durchdenken?“ Das ist übrigens etwas ganz anderes als die unsägliche Formel „Kommen Sie nur mit Lösungen, nicht mit Problemen zu mir!“

Vor allem ist entscheidend, dass der Mitarbeiter die zentrale Figur bleibt und diese Rolle nicht abschiebt („Die müssten sich erst ändern….“ – „Was meinen Sie denn, Chef, was ich tun sollte?“). Nur dann entsteht Verantwortung und Wachstum. Und genau dabei soll Coaching helfen. 

Alles Handwerkszeug? Ja, aber noch ganz viel zu tun für die Führungsmenschen, die es wirklich gut und ernst meinen mit dem Starkmachen ihrer Mitarbeitenden. 

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