Vertrauen, so heißt es, ist ein Grundbaustein erfolgreicher Zusammenarbeit. Vertrauen ist jedoch ein facettenreicher Begriff – es gibt Zutrauen, Anvertrauen, Vertrautheit und mehr. Ebenfalls gehört die Zuverlässigkeit dazu – die Überzeugung, dass jemand etwas tut oder liefert, was er zugesagt hat. Nicht zu vergessen die Glaubwürdigkeit. Hier vertraue ich den Worten eines anderen, also deren Richtigkeit, Ehrlichkeit, vielleicht auch ihrer Vollständigkeit.
Wenn es in einer Beziehung oder in einem Team an „Vertrauen“ fehlt, lohnt sich mithin eine sehr genaue Analyse, was exakt gemeint ist bzw. an was es wirklich fehlt.
Ein besonders bedeutsames Element des Vertrauens ist die sogenannte „Psychologische Sicherheit“. Hierbei geht es darum, meine Gedanken, Bedenken, Ideen äußern zu dürfen, ohne die Angst vor negativen Konsequenzen. Ohne mich damit zu blamieren, einen Eintrag ins „Schwarze Buch“ des Chefs zu bekommen, verbal in die Ecke gestellt oder zur nächsten Besprechung nicht mehr eingeladen zu werden.
Psychologische Sicherheit lädt Menschen ein so zu sein, wie sie wirklich sind. Man könnte das auch authentisch nennen. Die Einladung lautet: „Du musst dich bei mir / uns nicht verstellen oder verstecken. Du darfst diejenige sein, die du tatsächlich bist. Ich möchte hören, was du zu dieser Sache wirklich denkst und fühlst.“
Gerade heute, in einer Zeit, die stetiges voneinander Lernen erfordert und häufiges Anpassen und Umsteuern, ist es essenziell, dass jeder offen sagt, was er sagen will. Dass Bedenken geäußert werden, wahrgenommene Risiken an- und ausgesprochen werden. Dass auf Fehler hingewiesen und eigene Fehler zugegeben werden. Dass „verrückte“, weil neue oder ungewöhnliche Ideen mutig ausgesprochen werden. Alles dies in einem Raum von Unsicherheit oder eingeschränkter „Sicht“ und Prognosemöglichkeit. Das Gegenteil wäre für eine Organisation höchst gefährlich.
Eine breite Untersuchung bei Google vor wenigen Jahren erbrachte die „Psychologische Sicherheit“ als den Nr. 1-Faktor, der besonders erfolgreiche von weniger erfolgreichen Teams unterschied.
So zeichnet sich im Übrigen auch eine gute Fehlerkultur aus. Nicht, dass ein gemachter Fehler großzügig verziehen und mit einem „Aber nicht wieder tun!“ irgendwo zwischen Vergessen und Wiedervorlage abgelegt wird. Sondern, dass ich auch demjenigen wieder offen und interessiert zuhöre, dessen Sichtweise sich als abwegig, dessen Vermutung sich als unzutreffend und dessen Idee sich als nicht realisierbar erwiesen hat.
Nur dann, nur mit dieser Sicherheit, werde ich als Mitarbeiter immer und immer wieder meinen Mund aufmachen, mich beteiligen, mitdenken, mitreden, mich mit-engagieren.
Ja, ich will auch „mit Sicherheit falsch“ liegen – will mich sicher fühlen, auch wenn ich etwas falsch mache. Dieses Risiko einzugehen und dass mir dieses mögliche „falsch liegen“ nicht dauerhaft zum Nachteil wird.
Für „Führungsmenschen“ ist dies eine entscheidend wichtige Führungsaufgabe. Es liegt vor allem an ihnen, die entsprechende Atmosphäre zu schaffen. Einen Raum von Sicherheit und Annahme für all‘ das, was jeder einzubringen hat und damit dafür zu sorgen, dass tatsächlich mehr Augen, Ohren, Hirne mehr Sinnvolles aufnehmen und beitragen als wenige. Dazu gehört auch Mitarbeiter von Kritik zurückzuhalten, wenn einer etwas sagt, was im Moment kein anderen hören möchte.
Die Aufgabe ist nicht einfach. Wir Menschen sind von Natur filternde und wertende Zuhörer. Schnell, oft vorschnell, lehnen wir ab, was nicht in unser vorgefertigtes Bild passt. Da stören der „schräge“ Vorschlag, ebenso die geäußerten Bedenken und das an die Wand gemalte Risiko unseren effizienten Ablauf, unsere elegante Logik, unsere schlanke Diskussion, unseren erhofften direkten Weg zum Ergebnis.
Und Vorsicht: je dominanter die Position, desto geringer braucht die Reaktion zu sein, um dem Mitarbeiter diese wichtige Psychologische Sicherheit zu nehmen. Die gerunzelte Stirn des Vorstands oder die genervte Antwort des Abteilungsleiters hat schon manchen zum Schweigen gebracht, der etwas Wertvolles beizutragen hatte. Wenn ich jedoch meine Mitarbeiter stumm mache, kann ich genauso gut meine Diskussionen allein führen und meine Entscheidungen ganz allein fällen.
P.S.: Sollten Studierende von mir diesen Blog-Artikel lesen: Dies ist die ausführliche Version der Antwort auf die Aufgabe 3.c) in der letzten Klausur vom 27. Januar.