Führung – immer ein Balance-Akt

Februar 22, 2023 SGuenther No comments exist

Führungskräfte, so Marshall Goldsmith, sind erfolgreich, WEIL sie bestimmte Dinge tun, wie sie sie tun; und gleichzeitig, OBWOHL sie andere Dinge (nicht so gut) tun, wie sie sie tun. Hier zeigt sich also ein grundsätzliches und inhaltsschweres „Sowohl-als-auch“. 

Wenn ich mit Führungskräften an ihrer Entwicklung arbeite, geht es ihnen häufig um ein „hiervon mehr“ oder „hiervon weniger“. Mehr zuhören und weniger kritisieren, mehr Mitarbeiter empowern und weniger Detaildiskussionen führen, mehr inspirieren und weniger Zeit in Meetings verbringen. 

Man könnte sagen, es geht auch immer wieder um eine neue Balance zwischen oftmals gegensätzlichen Handlungen, Erwartungen, Verhaltensweisen, Einstellungen, und auch Arten „zu sein“. 

  • Der Führungsmensch soll nahbar sein und offen auf Augenhöhe mit seinen Mitarbeitern kommunizieren; gleichzeitig soll er jedoch Autorität haben und ausstrahlen und es sollte erkennbar sein, wer die Verantwortung trägt. 
  • Er oder sie soll sich menschlich zeigen, mit Fehlern, Zweifeln und Unsicherheiten; gleichzeitig soll die Führungskraft Mut machen, Zuversicht ausstrahlen, mit innerer Stärke Vorbild sein. 
  • Sie soll ihre Mitarbeiter schützen und sich „vor sie stellen“, wenn der Wind von vorn bläst; gleichzeitig soll sie im Sinne der Gesamtorganisation Dinge mittragen und befördern, die von der eigenen Mannschaft nicht begrüßt werden. 
  • Sie soll das Tagesgeschäft möglichst fehlerarm am Laufen halten und gleichzeitig die Zukunft gestalten, z. B. innovative Ideen generieren und voranbringen. Alles in knapper Zeit und mit übervollem Terminkalender. 
  • Sie soll sprachfähiger Experte sein, gerade für die nächsthöhere Ebene, gleichzeitig jedoch als „Leader of Leaders“ weniger im Klein-Klein verhaftet sein und mehr das große Ganze im Blick haben. 
  • Sie soll Sichtweisen und Werkzeuge der ihr unterstellten Menschen und Einheiten kennen, gleichzeitig eigene Perspektiven einbringen und einen einzigartigen Beitrag leisten können.
  • Letztlich soll sie erfolgreich darin sein, im System dauerhaft angelegte Konflikte, z. B. zwischen Vertrieb und Produktion oder zwischen Marketing und Controlling, geschickt zum Ausgleich zu bringen.  

Natürlich sollte sie auch gleichermaßen rational und empathisch, nachdenklich und entschlossen, mutig und risikobewusst, energisch und achtsam, loyal und karriereorientiert sein. 

Diese Auflistung könnte man noch lange weiterführen. 

Ich denke, dies zeigt zum einen, wie anspruchsvoll, ja, auf den ersten Blick nahezu „nicht leistbar“ die Aufgabe von Führungskräften heute ist. Immer werde ich als Führender in den Augen einiger Stakeholder oder einer relativ großen Beobachtergruppe vom einen oder vom anderen „zu viel“ oder „zu wenig“ tun oder haben. 

Zum anderen wird bei näherer Betrachtung deutlich, dass es in einer dynamischen, sich schnell verändernden Welt immer weniger um eine finale und stabile „Lösung“ oder Positionierung geht. Nicht um ein Auswählen zwischen „Richtig und Falsch“, sondern um ein Abwägen und den fluiden Ausgleich zwischen „Richtig und auch richtig“, nicht selten im Sinne von „Tugend und ausgleichender Gegentugend“ nach Friedemann Schulz von Thun. 

Im Ansatz war dies meinem damaligen Chef vor 15 Jahren bereits bewusst, als er mir sagte: „Es gibt Probleme, die kann man nicht lösen, die kann man nur managen.“

Gerade hierfür braucht es nun die menschlichen Stärken, die sozialen Kompetenzen, die emotionale Intelligenz. Führung wird situativer und geht mehr in Resonanz. Und genau dies ist der zu leistende und letztlich „leistbare“ Job der Führenden, sozusagen ihre neue Schlüsselkompetenz. Ihre Rolle ist es, immer wieder die Balance zwischen ihren Rollen zu finden. Ebenso zwischen ihren Prioritäten und den auf sie einwirkenden Kräften und Ansprüchen.

Entscheidungen müssen getroffen werden – wissend, dass ein Teil von ihnen sich als nicht vorteilhaft erweisen wird. In vielen Fällen werden wir nicht erfahren, was die andere, nicht gewählte Option uns gebracht hätte. 

Während die sich aktuell rasend schnell etablierende künstliche Intelligenz (KI) bei einem argumentativen „sowohl dies, als auch das“ verbleibt, kann (und muss!) der lebendige Führungsmensch, achtsam und in guter Selbstbeobachtung, immer wieder eine Haltung und daraus eine Position entwickeln – wissend, dass diese vielleicht schon bald per Wiedervorlage neu zu adjustieren sein wird. 

Sich darüber klar zu werden und dies im engeren Kreis auch zu thematisieren, ist ein großer Schritt hin zur authentischen Führung im Jahr 2023.  

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