Viele Unternehmen machen sich – zum Glück – Gedanken über Leitprinzipien oder Werte, denen Sie sich verpflichten und die ihr Handeln prägen sollen.
Ob dies nun starke Begriffe wie „Mut“, „Leidenschaft“, „Innovation“ sind oder etwas präzisere, relationale wie „Kundenorientierung“, „Fehlerfreiheit“ und „Zuverlässigkeit“, stets verfolgen ihre Schöpfer damit eine gute Absicht. Was diese Schlagworte jedoch alle gemeinsam haben, ist ihre Allgemeinheit und ihre breite Interpretierbarkeit.
Sobald die Werte nun vereinbart sind, am besten durch eine gemeinsame Initiative über mehrere Hierarchieebenen hinweg und nicht nur „von oben herab“, kommt deshalb der entscheidende Moment. Nun gilt der banale Spruch: „Es gibt nichts Gutes, außer, man tut es.“
Werte bleiben zahn- und wirkungslos, wenn sie lediglich auf einem Papier stehen oder schön gerahmt an der Wand hängen.
Schlimmer noch. Wenn Werte publiziert werden, aber völlig folgenlos für die Menschen im Unternehmen sind, wenn es hingenommen wird, dass Verhalten, gerade das von Vorgesetzten, von den Werten divergiert, werden die Mitarbeiter zynisch und frustriert, die wohlgemeinte Initiative schlägt in ihr Gegenteil um.
Was sollte getan werden?
Zum einen sollte über Hierarchieebenen hinweg diskutiert werden, welche konkreten Verhaltensweisen in die definierten Werte einzahlen. NETFLIX nennt in seiner „Kultur-Bibel“ (Culture Deck, https://www.slideshare.net/reed2001/culture-1798664) zum Beispiel Curiosity / Neugier als einen von 9 Haupt-Werten des Unternehmens. Dazu definieren sie, welches Verhalten jemand aufweisen sollte, der diesen Wert lebt, unter anderem „Du lernst schnell und ehrgeizig“, „Du bemühst dich, unsere Strategie, unseren Markt, unsere Kunden und Zulieferer zu verstehen“ sowie zwei andere konkrete Verhaltensregeln.
Hiermit bekommen die Werte praktische Relevanz, sie werden im individuellen Kontext lebbar, denn der gleiche Wert, nehmen wir „Verlässlichkeit“, wird in einem Krankenhaus etwas anderes bedeuten als in einem Logistik-Unternehmen. Ferner werden Werte beobachtbar und ihre Umsetzung wird bewertbar. Dies kann bis zur sinnvollen Konkretisierung von Mitarbeiter-Beurteilungsgesprächen gehen. An was sollten sich diese eigentlich orientieren, neben der Erreichung konkret vereinbarter Ziele, wenn nicht an den wichtigsten Werten des Unternehmens?
Zweitens sollten die Werte ständig präsent und im Gespräch bleiben. So könnte periodisch besonders vorbildliches werteorientiertes Verhalten von Mitarbeitern prämiert und als Beispiel präsentiert werden. Entscheidungen könnten explizit die Unternehmenswerte einbeziehen, z. B. im Sinne von: Investitionen über 50 TEUR werden nur getätigt, wenn sie spürbar in einen unserer definierten Werte einzahlen. Zweifelsfälle und aufkommenden Fragen sollten regelmäßig besprochen werden, was das gemeinsame Verständnis schärft und das Werte-Thema präsent hält. Beispiel: Ein Wert sei „Respekt“. Eine Führungskraft erlebt, wie ein Kollege seinen Mitarbeiter „zur Sau macht“. Wie soll er sich verhalten? Respekt vor der „anderen“ Art der Führung seines Kollegen? Oder diesen im Nachgang darauf hinweisen, dass sein Verhalten nicht einem respektvollen Umgang entsprach? Die meisten werden für die zweite Vorgehensweise sein, entscheidend ist aber die lebendige Diskussion an sich und durch sie das Herausbilden eines gemeinsamen, immer feiner werdenden praktischen Werte-Bewusstseins.
Drittens entsteht wirkliche Glaubwürdigkeit nur dann, wenn wertekonformes Verhalten ermutigt und Fehlverhalten nicht geduldet und sanktioniert wird. Der Weg zu einer Werte-Kultur ist erst dann vollständig, wenn sich die Menschen in der Organisation gegenseitig an die Werte erinnern und für ihre Einhaltung verantwortlich machen.