Blog-Artikel: Ich hab’s doch im Kopf…. – 3 beliebte Fehler (nicht nur von Führenden)

Juli 20, 2021 SGuenther No comments exist

Der größte Feind des Lernens ist das, was wir schon wissen, so heißt es. Und in der Tat, es gibt zumindest drei immer wieder gern gemachte Fehler, die damit zu tun haben, dass für uns im Kopf etwas ganz klar ist. 

  1. Nur weil mir etwas klar ist, muss es dies nicht für andere sein.

Dies ist vielleicht der allerhäufigste Denkfehler, dem ich begegne – ganz oft bei Führungskräften, aber auch sehr regelmäßig bei anderen Menschen. 
Etwas, das bei Ihnen im Kopf ist und dort schon lange deutlich Gestalt angenommen hat, ist noch längst nicht bei jemand anderem angekommen. Je länger wir etwas im Kopf bei uns bewegen, desto größer ist das Risiko, dass wir es fälschlicherweise bei anderen als bekannt voraussetzen. Ob strategische Planung, Change-Projekt oder ein anderes Vorhaben, schnell haben wir andere dann abgehängt.
Die Kunst ist, die Brücke zu den Köpfen der Mitarbeiter und Mitstreiter zu schlagen, um dort zu verankern, was in meinem Kopf ist, und somit gemeinsames Verständnis zu sichern. 
Wie häufig bestimmen (oder gefährden?) nicht geäußerte Erwartungen die Beziehung, stützen wir uns auf Wünsche, Hoffnungen, Interpretationen, die nie das Licht der Welt sehen? 10% mehr Transparenz könnten hier 50% der Probleme lösen. 
Wie oft gehen Menschen aus einer Besprechung und haben verschiedene Vorstellungen von dem im Kopf, was vor wenigen Minuten verhandelt und beschlossen wurde? 
Ich frage hierzu immer gern: Wenn ich jetzt alle Teilnehmer fragen würde, was soeben vereinbart wurde, würde ich dann in etwa die gleichen Antworten bekommen? Oder ganz unterschiedliche? Oder nur ratlose Blicke? Wenn es nicht die gleichen Antworten sind, gibt es keine Vereinbarung und das Risiko ist groß, dass Ihnen das irgendwann auf die Füße fallen wird. Übrigens häufig dann, wenn es am meisten weh tut.

Kleiner Selbsttest: Fragen Sie öfter mal nach, was der / die andere verstanden hat von dem, was besprochen wurde? Stellen Sie durch Verständnisfragen sicher, dass Sie das Gleiche meinen wie Ihr Gegenüber oder bauen Sie sich schnell Ihre ganz eigene Story?

2. Nur weil ich von etwas überzeugt bin, habe ich noch lange nicht die Unterstützung anderer

In dem epochalen Buch zur Zusammenarbeit „The Communication Catalyst“ heißt es: 
„Es ist ein schlechter Angler, der meint, dass er einen großartigen Job macht, obwohl die Fische nicht anbeißen. Fische beißen an, wenn du etwas hast, das sie interessiert.“
Die Tatsache, dass ich etwas spannend finde, dass ich etwas möchte oder mir etwas wichtig ist, hat erst mal überhaupt nichts mit irgendjemand anderem zu tun. Ganz unabhängig davon, wie ehrenwert oder nutzbringend meine Absicht sein mag.
Vielleicht stimmt mir jemand sogar zu, aber ist dieser Jemand auch bereit, für mein Vorhaben zu investieren, sich aktiv mit Ressourcen einzusetzen, Kosten und Mühen einzubringen? Setzt er mit seinem Budget auf meine Idee?
Die Magie entsteht nicht in meiner losgelösten Absicht, sondern dort, wo sich unsere Interessen, Sichtweisen und Absichten zu etwas Neuem, Größeren verbinden lassen. Zu etwas, das uns gemeinsam motiviert und antreibt, das mehr ist als was jeder Einzelne sich vorgestellt hatte; vielleicht sogar mehr, als die Summe unserer Vorstellungen. 
Dafür braucht es Neugier und Offenheit unsererseits. Ich muss mir die Mühe machen, die Welt des anderen zu erkunden, seine Absichten, Bedenken und Umstände kennenzulernen, verstehen und respektieren zu wollen. Und, darauf aufbauend, ein feines Ohr zu haben für Gemeinsamkeiten, die sich zusammen weiter entwickeln lassen.  

Kleiner Selbsttest: Wie gut bin ich darin, aus meinen Vorhaben gemeinsame Absichten mit anderen zu schmieden? – Fragen Sie mal andere, die Sie gut kennen!

3. Nur weil ich mir sicher bin, muss ich nicht recht haben. 

Haben wir das nicht alle schon (mehr als) einmal erlebt? Wir waren uns so sicher, dass dieses Lied, dieser Film, dieses Bonmot von XY ist. Wir hätten alles darauf gewettet – und haben es zum Glück nicht getan. Denn bei der Nachforschung – die wir ja in dem Moment eigentlich für völlig überflüssig hielten – stellte sich heraus, dass wir unrecht hatten und unser Gesprächspartner im Recht war. Ebenso geht es uns manchmal auch mit unserem Fachwissen oder unseren Einschätzungen. „Das ist doch klar….“ – oder vielleicht doch nicht?
Hier ist Bescheidenheit das Mittel der Wahl. Zu wissen und wirklich zu verinnerlichen, dass ich unrecht haben kann – auch wenn ich mir „sicher“ bin. Weil ich nicht alles weiß, nicht alles wissen kann und auch nicht wissen muss. Weil ich ein Mensch mit einem fehlbaren Hirn bin.
Und auch, weil ich häufig nur einen (evtl. kleinen?) Teil der Wirklichkeit sehe, es immer auch weitere Aspekte gibt, die eine andere Perspektive erfordern. Dafür brauche ich dann andere Menschen, von denen ich diese erfahren kann. Wenn ich ihnen zuhöre und meine „einzig wahre Wahrheit“ leicht halten und etwas zurückstellen kann. 

Kleiner Selbsttest: Neigen Sie eher zum Verteidigen Ihrer „Wahrheit“ oder zu Bescheidenheit, Neugier, Offenheit? – Woher wissen Sie das? – Was wollen Sie eventuell ändern?

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